Prof. Dr. Helena Wisbert. Foto: CAR-Center Automotove Research

eMove360° Women-in-Tech-Interview: Prof. Dr. Helena Wisbert, Direktorin CAR-Center Automotive Research

Die eMove360°Serie “Women in Tech” stellt inspirierende Frauen vor, die in der Automobilbranche Fuß gefasst haben. Nach Clotilde Delbros, CEO Mobilize, Marta Almuni, Cupra-Technikchefin, Silja Pieh, Leiterin der Unternehmensstrategie bei AUDI, Dr. Johanna Henrich ESG-Managerin bei Porsche und Emanuella Wallin Projektleiterin Vehicle-to-Grid bei Polestar steht in der aktuellen Ausgabe des eMove360° Magazins (hier kostenlos downloaden) Prof. Dr. Helena Wisbert im Mittelpunkt. Sabine Metzger sprach mit der Direktorin CAR – Center Automotive Research über die Herausforderungen der deutschen Automobilindustrie, die Konkurrenz aus China und darüber, was Sie persönlich antreibt.

Frau Professor Wisbert, herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Im Jahr 2024 haben Sie die Nachfolge von Prof. Ferdinand Dudenhöffer als Direktorin CAR – Center Automotive Research, Duisburg angetreten. Sie sind in große Fußstapfen gestiegen. Wo haben Sie Ihre persönlichen Ziele gesteckt?

Prof. Dr. Helena Wisbert: Das CAR Center Automotive Research ist natürlich keine One-Women-Show, auch wenn ich die wissenschaftliche Leitung zum 01. Januar 2024 übernommen habe. Ich bin besonders stolz darauf, dass das CAR-Team sehr international aufgestellt ist und gleich viel Frauen als auch Männer beim Institut arbeiten, was in der Automobilbranche nach wie vor nicht die Regel ist. Für die Zukunft verfolge ich die Vision, dass das CAR-Institut sich weiter als renommiertes Forschungsinstitut für die Transformation der Automobilindustrie etabliert, das für seine fundierten Studien und Analysen bekannt ist. Zum Beispiel möchte ich bei unseren Marktanalysen, die wir machen noch stärker auf KI-gestützte Datenanalysen setzen, um die Prognosen ausweiten zu können und Marktentwicklungen noch früher und präziser vorhersehen zu können. Auch setze ich mich für einen stärkeren Wissensaustausch und Zusammenarbeit mit anderen Branchenexpert:innen ein. Im Berufsalltag kann das schon einmal zu kurz kommen.

Sie sind ebenfalls seit 2022 Professorin für Automobilwirtschaft an der Ostfalia Hochschule in Wolfsburg. Das Thema Automobilindustrie/Automobilwirtschaft scheint Ihre Leidenschaft zu sein. War das schon immer so? Wie kam es dazu?

Wisbert: Die Automobilindustrie hat mich seit meinem Studium der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre begleitet, angefangen bei Praktika, über die Diplomarbeit, damals schon zum Thema alternative Antriebe und dann die Dissertation, die ich als Mitarbeiterin im Volkswagen Konzern geschrieben habe. Ich hatte das große Glück, bei den strategischen Anfängen der Elektromobilität hautnah dabei zu sein. Ich war zum Beispiel für die Markteinführung der ersten Elektroautos der Marke Volkswagen im deutschen Markt zuständig. Das ist über 10 Jahre her, aber zum Teil stellen sich heute in Bezug auf Elektroautos in der Öffentlichkeit immer noch die gleichen Fragen. Das Thema der nachhaltigen Individualmobilität hat mich von Anfang an begeistert. Es ist nicht nur die wirtschaftliche Bedeutung der Automobilwirtschaft in unseren Breitengraden, sondern auch die persönliche Begeisterung für Autos und für die individuelle Mobilität. Die Freiheit losfahren zu können, wann man möchte und wohin man möchte, ist ein hohes Gut unserer Zeit.

Was treibt Sie in Ihrer täglichen Arbeit an – in der Forschung und als Professorin vor Ihren Studenten im Hörsaal?

Wisbert: Ich finde es sehr spannend, den Transformationsprozess in der Automobilwirtschaft aus einer wissenschaftlichen Perspektive zu begleiten. In Bezug auf die Lehre möchte ich den Studierenden praxisnahes Wissen vermitteln und dazu befähigen, aus verschiedenen Perspektiven die aktuellen Entwicklungen in der Automobilwirtschaft zu betrachten und einschätzen zu können.

Was zeichnet die deutsche Automobilindustrie aus?

Wisbert: Ein sehr hohes Innovationsniveau, Professionalität und Reifegrad der Produkte. In der deutschen Automobilindustrie werden Milliarden in die Transformationsthemen Zukünftige Antriebskonzepte und Digitalisierung gesteckt. Und das sieht man auch an der Breite und Tiefe der Modellvielfalt und Antriebskonzepten. Das ist einzigartig. Wenn Sie mal in Berlin, Düsseldorf oder München die Autos in den Einkaufsvierteln anschauen, sehen sie was an Variantenvielfalt bei den deutschen Autobauern alles möglich ist.

Vor welchen Herausforderungen steht sie aktuell?

Wisbert: Mit dem Hochlauf des Elektroautomarkts sind neue Wettbewerber hinzugekommen, die ihre Produktion und Verkaufskonzepte fokussiert auf die Elektromobilität ausgerichtet und dabei den Vorteil der Planung auf der grünen Wiese genutzt haben. Das sind insbesondere innovative Produktionsmethoden und Kostenvorteile bei dem großen Kostenblock der Batterie. Die Autos kommen mit weniger Wahlmöglichkeiten aber dafür mit mehr Konnektivität auf den Markt. Das hat die deutsche Automobilindustrie in China, dem größten Automobilmarkt der Welt, Marktanteile gekostet. Für die Zulieferer hat der Wettbewerb zwar auch stark zugenommen, aber es kamen auch neue Automobilhersteller als Kunden hinzu. Die letzten Zahlen aus April zeigen aber auch, dass die deutschen Automobilhersteller hier in Deutschland ihre Marktstärke auch bei den E-Autos verteidigen konnten.

Warum ist es so schwierig für deutsche Autobauer ein bezahlbares Klein-E-Auto zu produzieren? Was macht E-Autos so teuer?

Wisbert: Das ist nicht nur ein Problem für die deutschen Autobauer, Tesla hat auch schon seit einigen Jahren ein bezahlbares Model 2 angekündigt, wofür sogar der Standort Grünheide in Deutschland für die Produktion im Gespräch ist. Der Kostenblock der Batterie lässt sich schwieriger wirtschaftlich in einen Kleinwagen integrieren als in einen Mittelklasse SUV. Dem chinesischen Autokonzern BYD gelingt das, weil BYD die Batterien selbst herstellen und auch in hohen Stückzahlen an andere Autobauer verkauft, dann sinkt der Preis pro Batterie.

Wann wird es ein Kleinauto mit elektrischem Antrieb unter 20.000 Euro aus deutscher Produktion geben?

Wisbert: Die angekündigten Kleinwagen sind von deutschen und französischen Herstellern für 2027 angekündigt, dann aber nicht aus deutscher Produktion, sondern z.B. aus spanischer Produktion.

Wo sehen Sie die deutsche Automobilindustrie in zehn, zwanzig Jahren?

Wisbert: In 10 Jahren fast voll elektrisch und mit weiteren Antriebskonzepten wie Wasserstoff im Angebot. Das Geschäftsmodell wird sich weiterentwickeln. Autobauer werden in Zukunft nicht mehr nur auf den Erstverkauf von Autos setzen, sondern sich als Mobilitätsdienstleister breiter aufstellen. Und dass deutsche Hersteller noch stärker bei chinesischen Marken einsteigen, kann ich mir auch sehr gut vorstellen.

Wie laden Sie privat Ihre Akkus?

Wisbert: Ich achte sehr auf meinen Ausgleich, anders ist das hohe Tempo nicht machbar. In meiner Freizeit bin ich mit einer PS unterwegs. Das Reiten bringt mich immer ins hier und jetzt zurück.

Diesen und weitere Beiträge zum Thema Elektromobilität & Autonomes Fahren lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des eMove360° Magazins. Printversion im Shop bestellen oder PDF  kostenlos downloaden

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19.06.2024   |  

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