Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs: “Es gibt nicht DIE eine Lösung”

Volvo Truck hat mit dem Volvo FH Electric die Konkurrenz in der Kategorie Electric Truck überholt und den eMove360° Award in der Kategorie “Electric Truck” gewonnen. Für die aktuelle Ausgabe des eMove360° Magazins (kostenloses Download-PDF) hat sich Sabine Metzger mit Manfred Nelles, Manager Media Relations Volvo Truck Central Europe, u.a. über die Vorreiterrolle von Volvo Trucks in der Entwicklung und Einführung alternativer Antriebe und die Herausforderungen für E-LKW im Schwerlastverkehr unterhalten.

Herr Nelles, im Oktober vergangenen Jahres waren Sie als Sieger in der Kategorie „Electric Trucks“ bei der Preisverleihung des eMove360° Awards auf der Bühne. Ich hoffe, Sie haben den Abend in bester Erinnerung und die Trophäe hat einen feinen Platz im Regal gefunden. Wir befragen unsere Gewinner immer nach einiger Zeit, wie sich das Siegerprodukt entwickelt hat. Lag die Jury mit ihrer Entscheidung richtig?

Manfred Nelles: Die Jury lag mit ihrer Entscheidung goldrichtig Volvo Trucks hier auszuzeichnen. Zwischenzeitlich wurde der Volvo FH Electric zum „International Truck of the Year“ gewählt. Damit ist er der erste Elektro- Lkw überhaupt, der diese Auszeichnung erhält. Das zeigt, welche Qualität die Auswertung durch die Jury bei dem eMove360° hat und sie mit ihrer Entscheidung tatsächlich nicht allein dasteht, den Volvo FH Electric als innovativen Lkw mit einem Award zu küren.

Die Award-Jury war sich damals einig: Der Volvo FH Electric leistet einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs. Bitte skizzieren Sie kurz die Vorzüge des FH Electric.

Nelles: Der Volvo FH Electric ist nicht nur im Betrieb emissionsarm und leise, auch in der Herstellung wird darauf geachtet mit recycelten Materialien zu arbeiten. Zudem wird fossilfrei hergestellter Stahl verbaut. Was den Betrieb angeht, so ist der Volvo FH Electric mit Blick auf die Energieausbeute ungefähr doppelt so effizient wie sein Diesel Pendant. Mit seinen bis zu 666 elektrischen PS ist er zudem besonders leistungsstark und vielseitig einsetzbar.

Erst kürzlich meldete Volvo Trucks für 2023 einen Rekordabsatz? Wie schneiden die Elektro-Lastkraftwagen ab?

Nelles: Wir sind stolz darauf, sagen zu können, dass wir in Europa im Jahr 2023 Marktführer bei den elektrischen Lkw waren. Aktuell, im ersten Quartal 2024, konnten wir unseren Marktanteil sogar auf über 50% weiter ausbauen. Mehr als 600 E-Lkw von Volvo sind auf deutschen Straßen im Einsatz und es werden täglich mehr.

Kommt Volvo Trucks eine Art Vorreiterrolle bei der Produktion von E-LKW für den Schwerlastverkehr zu?

Nelles: Wir bei Volvo Trucks sehen uns klar als Vorreiter in der Entwicklung und Einführung von alternativen Antrieben – dazu gehören auch elektrische Lkw. Wir entwickeln außerdem sehr intensiv die Brennstoffzellentechnik weiter. Zudem haben wir bereits seit 2017 LNG/ Bio-LNG Lkw im Angebot, da der Verbrennungsmotor mit alternativen und synthetischen Kraftstoffen sowie Wasserstoff weiterhin und sicher noch lange zu unserer sogenannte DREI WEGE STRATEGIE gehört.

Volvo Trucks hat vor kurzem seine Produktpalette an elektrisch betriebenen Fahrzeugen um zwei neue Modelle erweitert: den neuen Volvo FH Aero Electric und den Volvo FM Low Entry. Bitte kurz vorstellen?

Nelles: Beide Fahrzeuge ergänzen unser bestehendes Programm. Der Volvo FH Aero ist in allen Antriebsvarianten besonders durch die verbesserte Aerodynamik noch sparsamer. Der Volvo FM Low Entry wurde speziell für den urbanen Einsatz entwickelt und ist als erster Lkw von Volvo Trucks nur als elektrisches Fahrzeug erhältlich. Alle Lkw-Modelle wurden zudem mit Blick auf die Sicherheit nochmal verbessert und verfügen nun über das sogenannte CMS, ein Kamera Monitoring System, der neuesten Generation, inkl. Infrarottechnik für die Nacht.

Um den nachhaltigen Schwerlastverkehr voranzutreiben ist ein solides Netz an Ladestationen ein wichtiger Meilenstein. Volvo baut mit Milence, einem Joint-Venture mit Daimler Truck und der Traton-Gruppe eine eigene Ladeinfrastruktur auf. Bitte erklären Sie kurz, was dahinter steckt und wie weit das Projekt mittlerweile ist?

Nelles: Hierzu müssten Sie besser Milence befragen, aber ich beobachte, dass erste große Parkplätze mit Ladestationen und einer für Lkw-Fahrende angenehmen Infrastruktur ans Netzt gehen. Insgesamt möchte das Joint-Venture ca. 1.700 Ladepunkte in Europa errichten.

Wo sehen Sie den Schwerlastverkehr in zehn Jahren?

Nelles: Wir erwarten, dass mehr als 50% der dann verkauften Lkw bei Volvo Truck mit alternativen Antrieben oder Kraftstoffen fahren werden. Ein Großteil davon wird in den Ballungszentren in Form von elektrischen Lkw eingesetzt werden. Insbesondere für die Abfallentsorgung, den Bau und lokale Transporte.

Welches sind die größten Herausforderungen für E-LKW im Schwerlastverkehr?

Nelles: Derzeit ist die größte Herausforderung die nicht vorhandene Planungssicherheit für unsere Kunden, aber auch für uns. Die sehr abrupte Abschaffung des Förderprogramms hat zu großer Verwirrung geführt und der Glaube in die neue so wichtige Technologie droht an Tiefe zu verlieren. Wir versuchen das jedoch mit Überzeugungsarbeit und guten Produkten abzufangen. Zudem fehlt es auch an schnellen Genehmigungen für die Depotladeinfrastruktur, wenn sich unserer Kunden für einen E-Lkw entschieden haben. Von einem insgesamt schnellen Ausbau der Ladeinfrastruktur möchte ich an der Stelle gar nicht sprechen.

Sehen Sie reine batterieelektrische Lösungen oder auch Wasserstoff/Brennstoffzelle-Lösungen?

Nelles: Bei Volvo Truck arbeiten wir schon immer in alle technologischen Richtungen. Hierbei spielt auch die Brennstoffzelle eine wichtige Rolle. Die Tests hierzu laufen gut und wir werden bald in die Kundenerprobung gehen. Brennstoffzellen-Elektro-Lkw (FCEV) eignen sich für lange Strecken und schwere, energieintensive Einsätze und ergänzen batterieelektrische Lkw (BEV). FCEV könnte auch eine Option sein, wenn die Zeit zum Aufladen knapp ist, sowie in Ländern, in denen die Lademöglichkeiten der Batterie begrenzt sind. Die Brennstoffzellen-Elektro-Lkw werden eine Reichweite haben, die mit der vieler Diesel-Lkw vergleichbar ist – bis zu 1000 km – und eine Betankungszeit von weniger als 15 Minuten. Die Brennstoffzellentechnologie befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsphase und es liegen Herausforderungen vor uns. Eine davon ist die Versorgung mit grünem Wasserstoff. Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass die Betankungsinfrastruktur für schwere Fahrzeuge noch aufgebaut werden muss. Grundsätzlich sehen wir für jeden Antrieb global gesehen eine Berechtigung, weshalb es aus unserer Sicht nicht DIE eine Lösung geben wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

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24.06.2024   |  

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