Solarwave 64 von Silent Yachts. Foto: Michael Köhler

Leise, autark und in Serie gefertigt: Elektrische Solaryachten

Michael Köhler war passionierter Segler. Aber er war es leid, bei Flaute von einem Motor abhängig zu sein. Der Kärntner rüstete deshalb von Wind und Diesel auf Sonne um. Auf seinen von E-Motoren angetriebenen Solar-Yachten lässt sich das Meer völlig neu erleben – leise, autark, komfortabel und herrlich entschleunigt.

Ein Gastbeitrag von Günter Kast, der im aktuellen eMove360° Magazin erschienen ist.

Kaum hat die Solarwave die schützende Bucht von Port de Sóller an der Nordwestküste Mallorcas verlassen, muss sie gegen eine zwei Meter hohe Dünung ankämpfen, obwohl es nahezu windstill ist. Sie tut das erstaunlich elegant: Die schlanken Kiele des Katamarans durchschneiden die Wellen mit großer Leichtigkeit und lassen die Jacht kaum bockig werden. Die Segelboote in Sichtweite haben stärker zu kämpfen. Michael Köhler nennt sie etwas spöttisch „Motorboote mit Mast“ oder „Segler ohne Segel“. Er spielt darauf an, dass sie an Tagen wie diesen mit dem Tuch allein kaum vorankommen und deshalb auf ihren Dieselmotor angewiesen sind. „Der stinkt, ist laut und lässt das ganze Boot vibrieren.“ Köhler rümpft die Nase.

Die Solarwave schafft selbst unter diesen schwierigen Bedingungen knappe fünf Knoten, fast zehn Stundenkilometer. Ganz ohne Wind. Aber auch ganz ohne die Hilfe von Rudolf Diesel. Was die Segler nicht sehen können: Das Dach des Katamarans ist mit Solarmodulen belegt. Der von diesen Zellen erzeugte Strom füttert zwei Elektromotoren mit je 60 Kilowatt, die die Solarwave in der Spitze elf Knoten schnell machen.

Lautloses Dahingleiten

Köhler prüft auf den Displays der Schaltzentrale, wie viel Strom die Solarzellen erzeugen und die E-Motoren gleichzeitig verbrauchen. Was er abliest, lässt ihn zufrieden nicken. „Wir können zwölf Stunden durchfahren“, erklärt er Ellen Aschauer, einem seiner Gäste an Bord. Die Salzburgerin ist zwar schon jenseits der 80, aber geistig und körperlich topfit. Sie kennt die besten Segelreviere der Welt. „Bei einem Törn auf den Seychellen haben uns Freunde von dieser Solarjacht vorgeschwärmt“, erzählt sie. „Das mussten mein Partner und ich natürlich ausprobieren, die neue Technik machte uns neugierig. Inzwischen waren wir mit Michael und seiner Frau Heike schon zwei mal zwei Wochen zwischen den Ionischen Inseln unterwegs. Dieses lautlose Dahingleiten ist wunderbar. Wir mussten nie den Generator zuschalten, um Strom zu erzeugen.“

Köhler, der Tüftler, bittet in den Bauch der Yacht. Dort befinden sich die acht Batterieblöcke, die die Sonnenenergie speichern. „Unser Boot hatte erstaunlich wenige Kinderkrankheiten“, betont er. Natürlich habe er da und dort nachgebessert: Aus den Blei-Batterien seien über die Jahre Lithium-Zellen geworden, die leichter, kleiner und langlebiger sind. „Die Batterieblöcke benötigen jetzt gerade einmal 0,6 Kubikmeter Platz und wiegen nur noch 600 Kilo.“ Das ist ihm wichtig, denn wer sich einen Kahn für rund zwei Millionen Euro leiste, sei es nicht gewohnt, in beengten Verhältnissen zu leben. Überhaupt ist das sein Credo: „Der E-Antrieb wird sich zu Wasser wie zu Land nur durchsetzen, wenn er nicht teurer und nicht weniger komfortabel ist als die Energie aus Verbrennern.“ Der Jurist aus Klagenfurt muss es wissen. Er ist eine Autorität in Sachen E-Mobilität auf dem Wasser: der einzige weltweit, der eine solche Yacht serienreif anbietet, zum Kaufen, zum Chartern, für Testfahrten.

Ein Verbrenner ist kein idealer Segelpartner

Bis dahin war es allerdings eine lange Reise. Wann immer es ihre Zeit zuließ, waren die Köhlers auf den Weltmeeren unterwegs. Rund 30.000 Seemeilen legten sie mit Einrumpf-Seglern zurück, später etwa die gleiche Distanz mit Segel-Katamaranen. Doch irgendwann kurz nach der Jahrtausendwende mussten sie sich eingestehen: „Der Wind ist ein recht unzuverlässiger Geselle. Wir laufen viel zu viele Stunden unter Motor.“ Leider ist ein Verbrenner kein idealer Segelpartner. Diesel-Motoren erzeugen Geräusche, Hitze, Vibrationen, Abgase und einen Schmutzfilm auf dem Wasser. Auch der (ebenfalls lärmende) Generator braucht Sprit, um „Stromfresser“ wie Kühlschrank, Navigationsgeräte und Klimaanlage zu versorgen. Jachten, die nur wenig Treibstoff mit sich führen, sind in der Reichweite auf wenige hundert Seemeilen begrenzt. Das große Gefühl von Freiheit und Abenteuer sieht anders aus.

Also sahen sich die Köhlers an, was der E-Markt so anbietet. Sie merkten schnell: Das ist nicht viel. 2005 begannen die beiden deshalb mit ersten Tests für einen eigenen Solar-Kat. Wie und wo müssen die Paneele angebracht werden? Wie viel Fläche benötigen diese? Wie viel Strom müssen sie erzeugen, um einen E-Motor zu speisen? Wie groß ist der Strom-Bedarf für die Bord-Elektronik? 15.000 Seemeilen legten sie mit diesen Fragen im Gepäck in den folgenden Jahren zurück – im Mittelmeer, in der Karibik, bei einer Atlantiküberquerung.

Erste E-Yacht läuft vom Stapel

2009 wurde die erste E-Yacht der Köhlers in einer Werft in Niederkassel nahe Bonn gebaut. Nachdem die Solarwave 46 vom Stapel gelaufen war, ging es über Rhein, Main, Donau und Schwarzes Meer bis in die Ägäis. Während dieser sehr langen Reise fielen keine Wartungsarbeiten an, weder an der Solaranlage, noch am elektrischen Antrieb. Der Generator ratterte nur etwa 50 Stunden – primär, um ein Einrosten zu verhindern. Die Elektromotoren dagegen liefen lautlos mehr als 2.500 Stunden. Das Solarwave-System erhielt für diesen Erfolg unter anderem den Energy-Globe-Award.

Köhler erzählt seinen Gästen diese Geschichte mit leiser Stimme. Kein Motorenlärm stört die Ruhe. Keine Segel müssen gesetzt oder wieder eingeholt werden. Als die Solarwave in die Bucht von Santa Ponça einbiegt, sind seit dem Auslaufen sechs Stunden vergangen, in denen sie 32 Seemeilen zurückgelegt hat. Der Ladezustand der Batterien hat sich dabei um ein Viertel verringert.

Normalerweise würde Köhler jetzt in einer versteckten Bucht vor Anker gehen und sich die Liegegebühren von rund 300 Euro pro Nacht in der Marina sparen. Er ist ja autark, braucht keine Steckdose und keine Zapfsäule. Doch heute steuert er den Jachthafen ausnahmsweise einmal an – Vorführstunde! Als er und sein Skipper Ufuk Türkes an den anderen Schiffen vorbeizirkeln, heben nur wenige Freizeitkapitäne den Kopf. Sie lesen zwar den Schriftzug „ zero emission – solar powered“, sehen aber nicht die Solarzellen auf dem Dach. Erst als die Solarwave ihren Liegeplatz erreicht hat, wird sie zum Hingucker. Die Leute bleiben stehen, stellen Fragen.

Maritime E-Mobilität leicht wie in der Raffaello-Werbung

Wer mit Köhler unterwegs ist, erlebt die maritime E-Mobilität so leicht wie in der Raffaello-Werbung. Tatsächlich ist es ein komplexes Geschäft. Auch andere hatten versucht, solche E-Boote zur Serienreife zu bringen. Und waren gescheitert. Einige Gründer verzettelten sich, weil sie alles aus einer Hand anbieten wollten, gleichzeitig Planungsbüro, Designschmiede, Werft und Marketing-Gesellschaft sein wollten. Genau das war jedoch nie die Absicht der Köhlers: „Der Bau von Jachten ist dafür ein viel zu schwieriges Metier. Unser Part ist es, das Know-How zusammenzubringen.“ Zum Kern-Team gehören deshalb gerade einmal ein halbes Dutzend Mitarbeiter. Der Firmensitz befindet sich in Österreich, das Designbüro in Hamburg. „Das 64 Fuß lange Modell wird derzeit noch in der Türkei gebaut, für die Modelle mit 55 und 75 Fuß haben wir die deutsch-chinesische Werft Mazarin German Yachts beauftragt“, erklärt Köhler.

70 bis 80 Meilen mühelos ohne Generator

Am späten Nachmittag schieben sich dunkle Wolken vor die Sonne. Augenblicklich produzieren die Zellen auf dem Dach der Yacht weniger Strom, man sieht es auf dem Display. „Kein Problem“, sagt Köhler, „die Batterien haben ja ausreichend Energie gespeichert.“ Diese reiche locker für eine typische Charterwoche im Mittelmeer in der Sommersaison, bei der man von Bucht zu Bucht schippert, dabei keine allzu großen Strecken zurücklegt und immer wieder zum Baden und Schnorcheln vor Anker geht. „Eine Strecke von 70 bis 80 Meilen wie zum Beispiel zwischen Ibiza und Mallorca schaffen wir mühelos ohne Generator. Etwas anders sieht es aus, wenn wir von Mallorca ans spanische Festland übersetzen wollen“, erklärt Köhler. „Da ist intelligentes Batteriemanagement nötig. Und wir müssen während der eineinhalbtägigen Überfahrt sicher für einige Stunden den Generator zuschalten. Vollgas dürfen wir natürlich auch nicht fahren. Für Manager in Zeitnot ist das deshalb nichts.“ Der kleine Diesel-Generator sei nur eine Versicherung für den Fall, dass der E-Motor eben doch nicht genug Saft aus den Solarzellen bekommt. Denn ganz ohne Antrieb möchte schließlich niemand über das offene Meer irrlichtern.

Köhler hat kein Problem mit dem Generator. Er sieht sich als Pragmatiker, nicht als Purist. Er hat allerdings nichts dagegen, wenn man ihn einen Visionär nennt.

Silent Yachts: Im Jahr 2016 wurde Silent Yachts gegründet. Seitdem hat das Unternehmen erfolgreich verschiedene serienreife solarelektrische Yachtmodelle entwickelt. Die 60 Series, 80 Series und 120 Explorer bilden die Eckpfeiler der aktuellen Silent Modellpalette. Darüber hinaus wurden 2022 die erste Tender Series und das Speed 28 auf den Markt gebracht. Die Tender sind so konzipiert, dass sie auf unseren Yachten verstaut und aufgeladen werden können, während das Speedboat das unglaubliche Performancepotenzial von elektrischen Antrieben auf dem Wasser veranschaulicht. https://silent-yachts.com/de

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12.07.2024   |  

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