Emilie Grimm, CMF Designerin Color & Trim im Hyundai Center Europe. Foto: Peter Grett

Öko-Materialien und -Stoffe: Emilie Grimm CMF-Designerin bei Hyundai im Gespräch

Im eMove360°-Interview erklärt Emilie Grimm, CMF Designerin Color & Trim im Hyundai Design Center Europe, was es mit den einzelnen Eco-Materialien und -Stoffen auf sich hat. CMF steht übrigens für den Bereich des Produktdesigns, der sich mit der Auswahl und Verwendung von Farben, Materialien, Oberflächen befasst.

Es ist sicher nicht ganz banal, in einem stetigen Prozess umweltoptimierte Alternativen zu herkömmlichen Materialien im Automobilbau aufzuspüren, die sich ohne Abstriche an Funktionalität und Komfort verwenden lassen. Wer kümmert sich bei Hyundai um entsprechende Materialrecherchen, Tests und potentielle Bezugsquellen?

Emilie Grimm: Sämtliche Materialrecherchen und auch die Entwicklung neuer Materialien wird in enger Zusammenarbeit von Hyundai Engineering, Color and Trim und der Prüfungsabteilung übernommen. Hierfür arbeiten wir eng mit unseren Kolleginnen vom Hyundai Color Team in Korea als auch mit unseren Suppliern zusammen. Durch die hohe Anforderung an die Materialien im Auto ist es eine Herausforderung nachhaltige Alternativen für die konventionell im Auto verbauten Materialien zu finden. Hier ist ein besonders hohes Maß an Entwicklung notwendig, um die Materialien später auch in Serie in das Fahrzeug zu bekommen und die erforderlichen Spezifikationen zu erfüllen.

Wie werden bei Hyundai nachhaltige Materialien bewertet? Nach welchen Gesichtspunkten gelten Materialien bei Hyundai als nachhaltig?

Grimm: Da der Klimawandel bzw. die Erderwärmung mit einer zu hohen Emission von CO2 einhergeht, ist es unser vorrangiges Ziel, CO2 zu reduzieren. So können wir mit den verbauten Ecomaterials einiges an CO2 im Vergleich zu herkömmlichen Materialien einsparen. Beispielsweise verwenden wir für die Sitzstoffe 45 % recyceltes PET, wodurch wir im Vergleich zu herkömmlichen PET 32,3 % CO2 einsparen. Das ist, denke ich, schon eine große Menge. Zum anderen nutzen wir biobasierte Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen, die wir als Substitut für erdölbasierte Materialien einsetzen können wie beispielsweise der Headlining-Stoff aus Bio PET auf den ich später noch genauer eingehe. Hyundai testet ständig neue und vielversprechende Materialien. Dennoch müssen wir sicherstellen, dass die Materialien nicht nur ökologische Belange erfüllen, sondern auch zuverlässig und langlebig sind. Wie Sie wissen, geben wir unseren Kunden 5 Jahre Garantie und wollen die erwartete Qualität sicherstellen.

In den Presseinformationen zum IONIQ 6 ist viel von „Bio“ und „ökologisch“ die Rede, wenn es um verwendete Materialien geht. Was aber verbirgt sich z.B. hinter Begriffen wie „ökologisch behandeltes Leder“ oder Bio-PET-Gewebe, das im Dachhimmel zum Einsatz kommt.

Grimm: Genau, bei der Lederverarbeitung wird beispielsweise ein biobasiertes Leinöl im Gerbungsprozess verwendet und ersetzt somit einen chemischen Stoff und macht das Leder umweltfreundlicher.  Das Bio PET Gewebe wird aus Biomasse der Zuckerrohrproduktion – natürlich lediglich Abfälle – gewonnen. Diese Biomasse wird anschließend in ein PET Polymer umgewandelt, das wiederum zu Garn versponnen wird und anschließend zum Textil gewebt wird. Um noch einmal auf die Frage nach dem “Bio” zurückzukommen, es bezieht sich auf den biologischen Ursprung des Materials, das wir verwenden.

Was kann man sich darunter vorstellen, dass für Verkleidungen Pigmentfarbe aus Altreifen verwendet wird und für die Karosserie Pigmentfarbe aus Bambuskohle zum Einsatz kommt? 

Grimm: Da sich alte Autoreifen wenig bis gar nicht recyceln lassen, ist die Gewinnung von Pigmenten aus den Reifen eine Möglichkeit, das Abfallprodukt „upzucyceln“. Um das Pigment zu gewinnen, werden die Altreifen mechanisch zerkleinert. Anschließend kann das Pigment für die Farbe des Side Moulding und des Bumpers verwendet werden.

Die Bambuskohle als schnell wachsender und biobasierter Rohstoff kann ebenfalls als Pigment für den Außenlack genutzt werden. Beim IONIQ 6 wird die Bambuskohle im Digital Green Pearl Lack genutzt.

Bei den Türverkleidungen wird Bio-Lack eingesetzt. Die Bezeichnung „Bio“ leitet sich offenbar aus seiner Zusammensetzung aus Pflanzenölen, also natürlichen Basisstoffen ab. Können Sie näher erläutern, um welche Öle es sich dabei handelt, denn z.B. Palmöl dürfte wohl kaum die Bezeichnung „bio“ verdienen?

Grimm: Für die Lacke der Türen werden pflanzenbasierte Öle aus Raps und Mais verwendet, aus welchen Polyol hergestellt wird, was in der Polyurethan-Farbe enthalten ist. Dadurch können wir auch hier erdölbasierte Grundstoffe durch Öle aus nachwachsenden Rohstoffen ersetzen.

Das Armaturenbrett des IONIQ 6 besteht aus einer Bio-Kautschuk-Mischung. Wird der Bio-Kautschuk also von Eco-zertifizierten Plantagen bezogen und worin unterscheidet er sich von konventionellem?

Grimm: Also das ist so nicht ganz korrekt beschrieben. Wir verwenden für das Armaturenbrett ein Bio TPO-Material, welches ein Thermoplastisches Elastomer und kein Kautschuk ist. Hierfür wird ebenfalls Zuckerrohrabfall genutzt, der in Bioethanol und Polyethylene umgewandelt wird woraus die Bio TPO Skin, wie wir sie nennen, besteht. Und im Vergleich zum herkömmlichen PE (Polyethylen) reduziert sich die CO2-Emission pro Fahrzeug um 1,15 kg.

In welchen Bereichen sehen Sie bei der Auswahl und im Einsatz von Öko-Materialien in Zukunft noch erfolgversprechende Optionen oder anders gefragt, welche Herausforderungen und Visionen liegen noch vor Ihnen?

Grimm: Ich denke insbesondere die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen wird in Zukunft von immer größerer Bedeutung sein. Es ist nicht nur so, dass viele biobasierte Materialien wie Holz CO2 binden können, sondern auch andere Materialien wie Wolle von sich aus bereits sehr gute Eigenschaften haben, wie beispielsweise die Absorption von Feuchtigkeit, die für die Sitzbezüge im Fahrzeug von Vorteil sind. Darüber hinaus spielt das Thema Regionalität auch eine wichtige Rolle, dass man versucht Lieferketten möglichst lokal zu halten – beispielsweise sämtliche Lieferanten für die Produktion in Europa sind innerhalb von Europa angesiedelt. Und all diese Themen werden unter dem Gesichtspunkt der Kreislauffähigkeit betrachtet, so dass wir auch Materialien verwenden, die am Ende des Lebenszyklus wieder in den Produktionsprozess zurückfließen können.

Grundsätzlich können wir sagen, dass in Zukunft immer mehr biobasierte und zirkuläre Materialien in den Hyundai Autos auf dem Weg zur C02 Neutralität implementiert werden.

Das Gespräch führte Peter Grett, Touremo. Nachzulesen im aktuellen eMove360° Magazin. Dort können Sie auch nachlesen, was Nachhaltigkeit bei Hyundai bedeutet.

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10.07.2024   |  

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