Prof. Dr.-Ing. Markus Lienkamp; Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik Fakultät für Maschinenwesen; Technische Universität München Foto: Andreas Heddergott /TUM

Prof. Markus Lienkamp im Interview: “In Europa müssen Batteriefabriken entstehen”

Prof. Dr.-Ing. Markus Lienkamp forscht und lehrt an der TU München rund um das Thema Elektromobilität mit dem Ziel, neue Fahrzeugkonzepte zu erstellen, Fahrerassistenzsysteme bis hin zum automatischen Fahren sowie Mobilitätsdaten und Mobilitätskonzepte. Sabine Metzger hat für die aktuelle Ausgabe des eMove360° Magazins (kostenlos PDF downloaden) mit ihm über die Entwicklung der Elektromobilität und die Batterietechnologie der Zukunft gesprochen.

Herr Prof. Lienkamp, es freut mich, Sie wiederzusehen. Das erste Mal sind wir uns 2017 in der Glyptothek begegnet. Bei der feierlichen Preisverleihung des eMove360° Award, der Sie nicht nur als Laudator und Jury-Mitglied beigewohnt haben, sondern auch als stolzer Doktorvater des Siegerteams der Kategorie Electric Car. „A Car“. Kurz: Was ist aus dem Projekt geworden?

Prof. Lienkamp: Wir haben das Konzeptfahrzeug auf der eMove360° 2017 und der IAA 2017 gezeigt. Die Resonanz war überwältigend. Alle wollten das Auto auch für den deutschen Markt haben. Daraufhin haben die zwei federführenden Doktoranden die Firma EVUM Motors gegründet. Sie bauen seit 2021 das Auto in Kleinserie in Bayern. Sie können das also jetzt kaufen.

Sie forschen seit 2009 an der TUM zum Thema Elektromobilität. Die Akzeptanz für die Elektromobilität steigt rasant. Aber woran liegt es, dass sie noch nicht höher ist?

Prof. Lienkamp: Das sieht weltweit sehr unterschiedlich aus. Nordische Länder liegen schon bei einem Anteil von 80% Neuwagenverkäufen von Elektroautos. China entwickelt sich rasant. Nur Deutschland hat aktuell rückläufige Zahlen. Alle Automobilhersteller rechnen in China und der EU mit 50% Elektrofahrzeugverkäufen im Jahr 2030. 2035 könnte es dort zu einem Verbot von Verbrennern kommen. Die Kosten sinken durch die Massenfertigung und Innovationen rasant. Das Elektroauto wird sich durchsetzen.

Die Batterie ist das Herz des modernen Fahrzeugs. Die Batterieentwicklung in Europa hängt der in Asien hinterher. Kann Europa den Vorsprung aufholen?

Prof. Lienkamp: Die Batterie sollte aus Transportgründen möglichst da produziert werden, wo die Montage des Autos stattfindet. Also müssen in Europa Batteriefabriken entstehen. Wir haben glücklicherweise Firmen wie PowerCo oder Northvolt, die in Europa entwickeln und produzieren. Die Batterierproduktion ist auch nicht Rocket Science und einfach sehr kapitalintensiv. Zahlreiche OEMs wollten diese Investition gern anderen überlassen und abwarten, welche Technologie sich wirklich durchsetzt. Ich glaube, dass wir den Vorsprung der Asiaten aufholen können.

Wie sieht es mit Unterstützung aus: Gibt es beispielsweise Fördermittel auf Bundes- oder europäischer Ebene?

Prof. Lienkamp: Diese Thema bewegt die ganze Forschungslandschaft. Die Bundesregierung hat fast sämtliche Fördermittel im Bereich Batterien und Elektroautos gestrichen. Das ist ein großer Schock und viele Forschungseinrichtungen wissen nicht wie es weitergeht. Lediglich für die Produktionsansiedlung von Northvolt in Heide wurden große Fördermittel bewilligt.

Wie sieht für Sie die Batterie der Zukunft aus?

Prof. Lienkamp: Wir werden bei hochklassigen und leistungsstarken Fahrzeugen die NMC Technologie sehen. Beim Zellformat werden die Rundzelle und prismatische Zelle möglichst großformatig das Rennen machen. Im niedrigeren Fahrzeugsegment und bei Lkw werden LFP Zellen oder deren Derivate eingesetzt. Falls sich Natriumbatterien so rasant entwickeln wie versprochen, könnten diese in Teilen die LFP Zellen ersetzen.

Immer wieder hört man Stimmen, dass die E-Mobilität noch nicht der Weisheit letzter Spruch sei. Gibt es aus Ihrer Sicht überhaupt Alternativen zum elektrischen Antrieb?

Prof. Lienkamp: Nein. Die Brennstoffzelle ist unbezahlbar und eFuels ergeben nur Sinn, wenn wir erneuerbare Energien im Überfluss haben. Das ist in absehbarer Zeit noch eine Raumschiff Enterprice Diskussion.

Ihr zweites Forschungsfeld ist das Autonome Fahren. Wie ist der Stand heute und wo werden wir in fünf oder zehn Jahren stehen? Wann kann ich mein Auto per App abholen und mich nach Salzburg fahren lassen, ohne dass jemand am Steuer sitzt?

Prof. Lienkamp: Die Kosten und die technische Lösbarkeit spielen hier die entscheidende Rolle. So wird diese Technologie zuerst bei den lukrativsten Anwendungen wie beim Lkw eingesetzt. Dies auf einfach handhabbaren Strecken wie das Fahren von Hub zu Hub auf Autobahnen. Das Auto kommt erst deutlich später.

Es freut uns, dass Sie als Sprecher auf der eMove360° Conference in Oktober dabei sind: Sie werden über das Thema „Automatisierte und elektrifizierte Fernverkehrslogistik der Zukunft“ referieren. Ist das das Thema, das Sie gerade besonders umtreibt? Würden Sie bitte kurz skizzieren, was die Konferenzteilnehmer erwarten wird?

Prof. Lienkamp: Ich möchte aufzeigen wie die Elektrifizierung und Automatisierung von Lkw synergetischen Nutzen entfalten können, wenn man beides zusammen denkt. Lassen Sie sich überraschen.

Zu guter Letzt: Wie laden Sie persönlich Ihre Akkus auf?

Prof. Lienkamp: Gerade durch die Zeit mit meinen Doktoranden in Abu Dhabi bei einem autonomen Autorennen. Allgemein durch meinen Job am Lehrstuhl mit den jungen hochmotivierten Leuten. Privat mit meiner Frau, meiner Familie und meinen Hobbies.

Vielen Dank für das Gespräch.

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26.06.2024   |  

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